Das Echte Johanniskraut (Hypericum perforatum) ist vom „Studienkreis Entwicklungsgeschichte der Arzneipflanzenkunde“ an der Universität Würzburg zur Arzneipflanze des Jahres 2015 gewählt worden.
Das Echte Johanniskraut hat diese Auszeichnung zweifellos „verdient“. Johanniskraut ist eine vielfältige Heilpflanze, die sowohl in der traditionellen Pflanzenheilkunde also auch in der modernen Arzneipflanzenforschung eine wichtige Rolle spielt. Als Anwendungsgebiet stehen heute die leichten und mittelschweren Depressionen im Vordergrund. Trotz intensiver Forschung konnten aber die Wirkungsmechanismen für die stimmungsaufhellenden Effekte bislang nicht vollständig geklärt werden.
Im Zentrum der Forschung stehen die Wirkstoffe Hypericin, Hyperforin, sowie Xanthone und Flavonoide.
Reich an Wirkstoffen sind insbesondere die Blütenknospen, die geöffneten Blüten und die noch grünen Kapseln.
Der Anteil an Stängeln sollte dagegen möglichst tief sein.
Für die Herstellung von Johanniskrauttee, Johanniskrauttinktur und Johanniskrautextrakt werden nur die zur Blütezeit geernteten Triebspitzen verwendet.
Verschiedene Wirkungsmechanismen von Johanniskrautextrakten wurden und werden erforscht. Spezielle Botenstoffe im Nervensystem (Neurotransmitter) bleiben bei Einwirkung von Johanniskrautextrakt länger und in grösserer Zahl verfügbar. Zu den Neurotransmittern zählen Serotonin, Noradrenalin, Dopamin, GABA (Gamma-Aminobuttersäure) und L-Glutamat. Sie übertragen an den Verknüpfungsstellen der Nervenzellen (Synapsen) Informationen bzw. Reize.
Die Neurotransmitterspiegel in den Synapsen steigen an, und die Reizübertragung wird verbessert, da klassische Abschaltwege wie der enzymatische Abbau der Neurotransmitter oder die Wiederaufnahme aus dem Spalt in die Synapse durch Johanniskraut-Wirkstoffe gehemmt werden. Die Steigerung der Menge an verfügbaren Neurotransmittern ist auch ein entscheidendes Prinzip der klassischen Antidepressiva, woraus ihre stimmungsaufhellende Wirkung resultiert.
Auf Grund von einschlägigen klinischen Studien wurde Johanniskraut bei leichten bis mittelschweren depressiven Verstimmungen und Depressionen zugelassen, ebenso bei psychovegetativen Störungen, Angstzuständen und nervöser Unruhe. Sinnvoll ist die Anwendung auch bei Winterdepression, Schlafstörungen aufgrund von leichten Depressionen und bei entsprechenden Symptomen während der Wechseljahre.
Wechselwirkungen beachten
Ende der 1990er Jahre wurde festgestellt, dass Johanniskraut zu verstärktem Abbau anderer Arzneistoffe führen kann, in dem es das wichtigste Arzneimittel abbauende Enzym (CYP 3A4) in seiner Wirkung aktiviert. Bei der Kombination von Johanniskraut mit einigen anderen Medikamenten kann es einige Zeit nach Behandlungsbeginn zu starken Wirkverlusten und nach Absetzen dagegen zu therapeutisch gefährlichem Ansteigen der anderen Arzneimittel kommen. Hochdosierte Johanniskrautpräparate mit einer Tagesdosis ab 600 mg weisen Interaktionen (Wechselwirkungen) mit einigen Arzneistoffen im Bereich der Antidepressiva, der Immunsupressiva oder Anti-HIV-Mitteln auf, ebenso sind Herzmittel wie Digoxin, Blutgerinnungshemmer vom Cumarintyp und vermutlich auch das bronchienerweiternde Mittel Theophyllin betroffen. Ebenso ist nicht auszuschließen, dass die Wirksamkeit von hormonellen Verhütungsmitteln („Pille“) herabgesetzt wird. Bei der alleinigen Einnahme auch hochdosierter Johanniskrautmittel ist die Verträglichkeit gut und deutlich besser als bei anderen Antidepressiva. Eine ausgeprägte Steigerung der Photosensibilität (Lichtempfindlichkeit) der Haut wurde bisher nur bei Weidetieren beschrieben, mit den für Menschen eingesetzten therapeutischen Dosen sind ernste Symptome der Phototoxizität nicht zu erwarten.
Quelle:
Kommentar & Ergänzung:
Der „Studienkreis Entwicklungsgeschichte der Arzneipflanzenkunde“ an der Universität Würzburg wählt seit längerem jedes Jahr eine Arzneipflanze des Jahres.
Hier ein paar „Preisträger“ aus der Vergangenheit:
Arzneipflanze des Jahres 2014: Spitzwegerich
Phytotherapie: Kapuzinerkresse zur Arzneipflanze des Jahres 2013 gewählt
Süssholz zur Arzneipflanze des Jahres 2012 gewählt
Passionsblume ist Arzneipflanze des Jahres 2011
Phytotherapie: Efeu zur Arzneipflanze des Jahres 2010 ernannt
Fenchel Arzneipflanze des Jahres 2009
Martin Koradi, Dozent für Phytotherapie / Pflanzenheilkunde
Winterthur / Kanton Zürich / Schweiz
Phytotherapie-Ausbildung für Krankenpflege und andere Gesundheitsberufe
Heilpflanzen-Seminar für an Naturheilkunde Interessierte ohne medizinische Vorkenntnisse
Kräuterwanderungen in den Bergen / Kräuterkurse
Weiterbildung für Spitex, Pflegeheim, Psychiatrische Klinik, Palliative Care, Spital:
Interessengemeinschaft Phytotherapie und Pflege: www.ig-pp.ch
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